1926 postulierte der Architekt, Fotograf, Designer, Grafiker und Maler El Lissitzky: „Die statische Architektur der ägyptischen Pyramide ist überwunden: Unsere Architektur rollt, schwimmt, fliegt. Es kommt das Schweben, Schwingen. Die Form dieser Realität will ich miterfinden und gestalten.“
Der Konstruktivist schuf Bildkompositionen und Layouts, die die Grenzen des Gekannten sprengen. Diese Kraft war in zahlreichen Projekten und Pavillons zu erleben – und steckt ebenso in dieser Sitzskulptur.
Der konische Clubsessel wirkt unglaublich modern und könnte durchaus ein halbes Jahrhundert später entstanden sein, also Ende der 1970er Jahre. Tatsächlich entwarf El Lissitzky den Sessel bereits 1928 für den sowjetischen Pavillon der Internationalen Kölner Druck- und Presse-Ausstellung „Pressa“. Er war Teil des Auftritts der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Element eines Gesamtkunstwerks aus dem monumentalen, fabrikähnlichen Pavillon und einem vor Fotos, Typografie und Installationen berstenden Innenleben.
Im Gegensatz dazu strahlt der Sessel D62 Ruhe aus. Der konstruktivistische Architekt spielt mit zwei Ansichten und zwei gegensätzlichen Materialien: einer harten, dünnen, gleichwohl biegsamen Hülle und einem weichen‚ vergleichsweise voluminösen Kern.
Getragen wird das Objekt von einem gespannten Holzrahmen aus Ahorn oder Buche, dessen konische Form eine geradezu üppige Lederpolsterung für Rücken und Sitzfläche umfängt. Diese reicht bis zum Boden. Fast entsteht der Eindruck, ein Schalentier vor sich zu haben mit hartem Panzer und strahlend weichem Kern, das den Besitzer einlädt, Platz zu nehmen.